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Alte Laster und neue Vorsätze


 

Alte Laster und neue Vorsätze

 

Es kommt bald wieder der ideale Zeitpunkt, wo wir uns voller Motivation unsere Laster abgewöhnen können. Oder es zumindest versuchen. Vielleicht. Vielleicht habe ich gerade unwillentlich eine neue Taktik in Bezug auf meine guten Vorsätze fürs neue Jahr entwickelt.

 

Fast der ganze Dezember steht noch vor uns und ich möchte hier nichts vorgreifen, aber genau diese letzte Zeitspanne ist ausschlaggebend für meine Taktik. Rückblickend war dieses Jahr für mich ziemlich erfolgreich und ich habe ein paar gute Vorsätze umsetzen und einige Ziele erreichen können. Doch jetzt kommt der Schlussspurt und dieser hat es so richtig in sich. Es fühlt sich ein wenig so an wie eine Jahresabschlussprüfung des Lebens, welche mich auf allen Gebieten herausfordert. Ende Oktober hat es langsam begonnen; die Dunkelheit der Winterzeit hat aufs Gemüt geschlagen und ich bin langsam etwas nachlässig geworden. Nachlässig hat leider nichts mit „lässig“ zu tun…

 

Ein gutes Beispiel ist mein Alkoholkonsum, welchen ich per Ende Juli stark einschränkte. Von da an habe ich anstatt jedes Wochenende nur noch etwa einmal im Monat Alkohol getrunken. Dieses neue Verhalten war für mein Umfeld zuerst natürlich etwas suspekt, doch sie haben sich schlussendlich daran gewöhnt. Als ich dann wieder einmal Alkohol getrunken habe, wurde dieser Tag gleich „Joker Tag“ genannt. Das ist soweit sehr gut gegangen bis im Oktober, als die Nachlässigkeit langsam angeschlichen kam. Die Anzahl Joker Tage häuften sich wieder und im November entstand wie aus dem Nichts sogar eine Joker Woche, da es jeden Abend einen Anlass gab, der begossen werden wollte. Natürlich gäbe es jetzt einen ganzen Samichlaussack voller Ausreden, die ich einsetzen könnte, doch diese Ausreden möchte ich mir aufsparen für den Rest dieses Jahres.

 

Wie näher Silvester heranrückt, umso schwieriger wird es, ein Glas Wein oder ein Bierchen dankend abzulehnen. Es dürfen noch bestandene Abschlussprüfungen, Geburtstage und natürlich Weihnachten und Silvester gefeiert werden. Natürlich kann man sich seine Laster selbst definieren und solange sich der Alkoholkonsum in Grenzen hält, muss es ja nicht als Laster angesehen werden. Doch nun zu meiner Taktik: Ich habe mir überlegt, ob ich mir im Dezember ein paar ehemalige Laster wieder aneigne sollte, die ich dann im Januar wieder loswerden könnte? Also nur solche Laster, die ich schon einmal losgeworden bin und bei welchen die Chance sehr gross ist, dass ich es wieder schaffen würde. Falls diese Taktik aufginge, hätte ich eine riesige Erfolgsquote, ich müsste einfach gekonnt ignorieren, dass es übers ganze Jahr gesehen eine Nullrunde wäre…

 

Aber abgesehen vom Alkoholkonsum als Beispiel und auch abgesehen davon, dass Alkohol möglicherweise das schädlichste, legale und von der Gesellschaft anerkannte Suchtmittel ist, gibt es eine wirklich gute Taktik, um seine Laster loszuwerden? Oder eine andere Frage: Wieso ist es so schwierig, sich eine Gewohnheit wieder abzugewöhnen? Ich habe kürzlich den Bericht einer Philosophin über die Ursachen der menschlichen Willensschwäche gelesen indem sie erklärt, wieso wir trotz guten Absichten immer wieder entgegen diesen Absichten handeln. Das ist von der psychologischen und philosophischen Seite gesehen ein ziemlich komplexes Thema. Wer den Bericht nachlesen möchte, findet ihn auf Google unter „Philosophin über Willensschwäche“ (Warum wir oft das eine wollen und das andere tun).

 

Nun folgen meine persönlichen Gedanken dazu, die von meiner beraterischen Ausbildung geprägt sind: Es gibt natürlich keine universale Taktik, die bei allen funktioniert, ansonsten hätte sich diese schon längst in ein riesiges Geschäft entwickelt. So eine Taktik ist genauso individuell wie eine DNA. Natürlich kann man die Taktik eines anderen ausprobieren und vielleicht funktioniert sie auch, doch die Hintergründe für das Funktionieren einer Taktik sind viel verstrickter, als man denkt. Manche können von einem Tag auf den anderen mit dem Rauchen aufhören und es als reine „Kopfsache“ abstempeln, andere können sich als Gelegenheitsraucher (z.B. an Wochenenden, nicht bei jeder Gelegenheit) beweisen und finden so ihren gewünschten Umgang mit dem Rauchen. Das ist dann eine Art Mittelweg, während andere strikt nach dem Prinzip „alles oder nichts“ funktionieren.

 

Die wichtigsten Fragen bezüglich eines Lasters sind meiner Meinung nach diese zwei:

 

1. Was möchte ich anstelle des Lasters? und 2. Was verliere ich durch das Loswerden des Lasters? Die erste Frage ist fundamental, denn es geht schlussendlich darum, was man möchte und nicht darum, was man nicht mehr möchte. Unser Gehirn verarbeitet Wörter wie „nicht“ erst am Schluss und kann so Negationen oder verneinende Aussagen eher schlecht aufnehmen. Möchte man also nicht mehr, respektive aufhören zu rauchen, ist das Hauptwort „rauchen“ und man möchte zwar damit aufhören, doch mit dieser Aussage denkt man immer wieder genau ans Rauchen. Das eigentliche Ziel sollte also irgendwie so lauten, dass man seiner Lunge nur noch möglichst frische und reine Luft zuführen möchte. Diese Zielsetzung ist auch wiederum individuell und muss jeder schlussendlich selbst herausfinden.

 

Die zweite Frage ist ebenso wichtig, denn sie beleuchtet die Schattenseite der Zielsetzung. Alles hat seine Kehrseite und man sollte sich fragen, was man durch das Loswerden des Lasters verlieren wird? Beim Rauchen ist zum Beispiel der soziale Aspekt zu beachten: Beim Rauchen in den dafür bestimmten Zonen oder draussen gerät man schnell ins Gespräch mit neuen Leuten und das mag zwar wie eine schlechte Ausrede klingen, doch die Bedeutung solch neuer Begegnungen können von grosser Bedeutung sein.

 

Ich hoffe jemand kann mit diesen zwei Punkten zum Thema „Kopfsache“ etwas anfangen und sein Denken bestenfalls einfacher in Handeln umsetzen. Wie zu Beginn beschrieben bin ich selbst auch noch inmitten solchen Prozessen und es kann zwar deprimierend sein, wenn die eigene Disziplin die eigenen Erwartungen nicht erfüllt, doch andererseits brauchen wir auch viel Geduld mit uns selbst. Nicht als Ausrede, sondern als Mitgefühl und Verständnis. Gewohnheiten, die wir uns über Jahre hinweg antrainiert haben, müssen abtrainiert werden.

 

Und letztendlich möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Bedeutung von „richtig“ und „falsch“ ausschliesslich von den Zielen abhängig sind, die man erreichen möchte. Möchte man den Dezember mit all den Festlichkeiten und den damit verbundenen Köstlichkeiten geniessen sowie die Auswirkungen davon besten Gewissens seinen Hüften überlassen, dann ist es absolut richtig, alles zu essen und zu trinken, worauf man gerade Lust hat.

 

Egal was ihr macht, macht es aus Überzeugung und steht hinter euren Entscheidungen, denn nur so könnt ihr diese schön stressige, bedenkliche Adventszeit unbedenklich geniessen. Was für ein toller Artikel, darauf werde ich bestimmt noch anstossen!

 

Schöne Adventszeit!

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