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Jachen Wehrli Teil 3: Das Interview


 

Jachen Wehrli, Teil 3: Das Interview

 

Es folgt der Abschluss dieser Serie mit einem erfahrungs-geballten Interview mit Jachen Wehrli. In meinen zwei letzten Berichten habe ich die bewegende Geschichte von Jachen erzählt und jetzt folgt das Interview, weswegen ich Jachen überhaupt getroffen habe. Während diesem Treffen ist mir sehr schnell klar geworden, dass ein Interview nicht genug Informationen bietet, um das gerade hochaktuelle Thema Burnout genügend abzudecken und so ist diese dreiteilige Serie entstanden.

 

Gaudi: Wie würdest du dein Leben mit einem Satz beschreiben?

Jachen: Von chaotisch zu strukturiert mit einer Achterbahnfahrt der Gefühle bis zum totalen Zusammenbruch und der erleuchtenden Erkenntnis, dass die Veränderung der Weg zum Glück ist!

 

Was waren die prägendsten Ereignisse in deinem Leben?

Der Tod meines Grossvaters, die Liebe meiner Frau, die Geburt unserer Kinder und die vier Jahre Krankheit, Burnout und Depression.

 

Wie hast du deine schwierigsten Zeiten überstanden?

Mit Hilfe meiner Familie und deren bedingungslosen Liebe. Kampfgeist und Hoffnung.

 

Würdest du rückblickend, mit deiner jetzigen Erfahrung, irgendetwas komplett anders machen? Falls ja, was und wie würdest du es anders machen?

Ich würde mich früher gegen das System aus Leistungsdruck, Erfolgsgier und Profitdenken wehren. Wir reden über Work-live-Balance und leben in einer Vollgas-Gesellschaft.

 

Was würdest du jemandem, der gerade schwierige Zeiten durchmacht, mit auf den Weg geben?

Erwarte keine Veränderung deines Umfeldes oder der Gesellschaft, verändere dich selbst! Erkenne deine Fehler und setze dir neue und realistische Ziele. Die beste Therapie ist nichts wert, wenn du nicht bereit bist, Opfer zu bringen und da zu beginnen, wo es schmerzt.

 

Befindest du dich in einem Wirbel von Negativität, dann musst du diesem auf den Grund gehen, um je wieder entkommen zu können. Es ist wie bei einem Wirbel im Wasser: Wirst du eingesogen und verlässt du den Wirbel irgendwo mittendrin, um an die Oberfläche zu gelangen, dann wirst du oben wieder in denselben Wirbel hineingezogen und kannst auf diese Weise dem Wirbel nie entkommen. Erst wenn du dich bis auf den Grund mitreissen lässt, kannst du unten wegschwimmen und so dem Wirbel entkommen. Hast du Probleme bei der Arbeit und gehst für eine Woche in die Ferien, dann sind deine Probleme immer noch dort wenn du wieder arbeiten gehst. Wechselst du den Arbeitgeber und kriegst wieder dieselben Probleme, dann war der frühere Arbeitgeber gar nicht das Problem, sondern es ist entweder die Arbeit an sich oder dein Verhalten.

 

Hast du je einen schlechten Ratschlag erhalten? Falls ja, wie lautete er und wieso war er schlecht?

Ja das habe ich und der Ratschlag war: „Sprich nicht über psychische Probleme, das könnte deine Zukunft negativ beeinflussen.“ Er war deswegen schlecht, weil das Verstecken der psychischen Probleme eine Unterdrückung der eigenen Gefühle bedeutet. Erst wenn du dich befreien kannst, wirst du die Probleme proaktiv angehen und lösen können.

 

Wie wichtig sind Perspektivenwechsel für dich und wie erlangst du diese?

Sehr wichtig! Neue Ziele und Perspektiven helfen, das Vergangene zu verarbeiten und die Zukunft in einem positiven Licht zu erkennen. Mein beruflicher Perspektivenwechsel wurde durch die Krankheit eingeleitet und die jetzige Richtungsänderung hat sich dadurch ergeben. Arbeitnehmer, die unter „normalen“ Umständen einen Perspektivenwechsel wünschen, wäre eine grössere Flexibilität der Arbeitgeber oder zusätzliche Möglichkeiten auf diesem Gebiet sehr wichtig. Dadurch könnten Angestellte ideal eingesetzt und ihr Potenzial wertschätzend und ausgeglichen gefördert werden.

 

Was bedeutet Glück für dich und wie hältst du es aufrecht?

Glück ist relativ. Ein Lächeln, ein gesundes Kind, positive Reaktionen auf einen traurigen Text, oder Menschen, welche mir für meine Offenheit danken… Glück ist kein Zustand, sondern ein Gefühl und Ansichtssache: hat zum Beispiel jemand Glück, dass er einem Unfall knapp entgangen ist, dann bezieht sich dieses Glück auf etwas Negatives, das hätte passieren können.

 

Zufriedenheit ist entscheidend! Zufriedenheit ist immer positiv und macht glücklich! Ich versuche meine Zufriedenheit gerade aufrecht zu erhalten, indem ich mich mit Weniger zufrieden gebe. Ich setze meine Prioritäten anders und konzentriere mich aufs Wesentliche wie meine Familie und mein Wohlbefinden. Ich lerne, im Moment zu leben, dann schätze ich diese auch mehr und bin dankbar dafür. Ich möchte meine Zeit nicht weiterhin nur durch Arbeit gegen Geld tauschen, sondern ich möchte Zeit mit meinen Liebsten gegen Erinnerungen an den Moment tauschen. Das ist das, was schlussendlich zählt und woran sich meine Kinder immer erinnern werden.

 

Angenommen, du könntest eine Kurznachricht an alle Menschen auf der ganzen Welt senden, wie würde sie lauten?

Verliere nie den Glauben an dich selbst und an die Kraft in dir!

 

Sonst noch was?

Wir neigen in unserer Gesellschaft zu voreiligem Werten, Abschätzen und Verurteilen. Wir sehen nicht in die Menschen hinein. Gesehen wird nur das, was gezeigt wird und auch gesehen werden will! Wendet euch nicht ab, wenn es einem Freund nicht gut geht!

 

Fazit von Gaudi:

Dieses Treffen war für mich äusserst interessant und aufschlussreich, persönlich wie auch auf meine Arbeit als Berater bezogen. Heutzutage entwickelt sich alles in einem unglaublich hohen Tempo und die Burnout-Rate steigt bedenklich rapide an. Ist unsere Gesellschaft oder unser Arbeitsumfeld derart undankbar, dass immer mehr Leute während der Arbeit ausbrennen? Lassen wir uns zu stark von oberflächlichen Belohnungen antreiben? Haben wir es völlig verlernt, auf unseren Körper zu hören und ignorieren jegliche Warnsignale? Leider braucht es diese traurige Entwicklung, damit sich durch die steigende Rate auch die Aufmerksamkeit verstärkt auf das Thema Burnout und Depressionen richtet und schlussendlich auch auf Prävention und Psychohygiene. Ich hoffe, diese Berichte haben dich zum Nachdenken angeregt und du setzt dich mit deinem Körper und deiner Psychohygiene auseinander. Und wenn du jetzt denkst: „Das könnte mir nie passieren“, dann legst du mit dieser Einstellung die allerbeste Grundlage, eines Tages selbst auszubrennen. Pass auf dich auf!

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